Seit über hundert Jahren gehört Bier zur Identität von Qingdao, nach Wade-Giles als Tsingtao bekannt. Die Geschichte der Tsingtao-Brauerei, die 1904 gegründet wurde, ist eng mit dem europäischen Kolonialismus verknüpft und verlief nicht ohne Umwege.
Vor 117 Jahren wurde das Bier, das später Chinas berühmtestes werden sollte, erstmals in Qingdao ausgeschenkt. Die Stadt wurde zum Zentrum europäischer Brautradition in China. Zuvor war Harbin jedoch die erste Stadt mit einer europäischen Brauerei, gegründet von russischen, polnischen und tschechischen Brauern um 1900. Sowohl in Qingdao als auch in Harbin zeigt sich die Verbindung zwischen Bier und Kolonialismus. Während die Harbin-Brauerei Eisenbahnarbeiter versorgte, war Qingdao ein deutsches Kolonialprojekt, begünstigt durch das hochwertige Wasser aus dem Laoshan-Berg.
Das Bier, das am meisten mit China in Verbindung gebracht wird, ist ohne Frage Tsingtao.
Das erste in Qingdao gebraute Bier war streng genommen kein „Tsingtao“. Historiker Wilhelm Matzat berichtet von einer Brauerei, die 1901 gegründet, aber schnell wieder geschlossen wurde: 1903 entstand die Germania-Brauerei, die am 22. Dezember 1903 ihr erstes Bier auf den Markt brachte. Es ähnelte einem heutigen Pilsner.
Die Tsingtao-Brauerei überstand den Ersten Weltkrieg nicht unbeschadet. Nach dem Übergang Qingdaos in japanische Hände übernahm Dai Nippon Brewery (heute Teil von Asahi) die Brauerei 1916. Später wurde sie verstaatlicht und begann 1954 mit dem Export. Bereits in den 1950ern war Tsingtao in Großbritannien erhältlich und erreichte 1972 die USA. Tsingtao dominiert den chinesischen Bierexport. Innerhalb Chinas ist es besonders in Shenyang beliebt, wo es mit Snow konkurriert, einer Biermarke mit japanischen Wurzeln aus der Mandschukuo-Ära.
China ist der größte Biermarkt der Welt. In Qingdao zieht Bier mit einem Museum und Besucherzentrum Touristen an. Vor der Pandemie war das zweiwöchige Bierfest im August ein Highlight, bei dem frisch gezapftes Bier sogar in Plastiktüten verkauft wurde. Während leichte Lagerbiere dominieren, wächst das Interesse an Craft-Bieren. Paulaner-Brauereien sind in vielen Städten vertreten und der Trend zu ungefilterten Ales nimmt zu. Die Craft-Beer-Bewegung begann in Städten mit hohem Ausländeranteil, mit Brauereien wie Shanghais Boxing Cat und Pekings Great Leap. Heute gibt es über 300 Craft-Brauereien in China, viele davon von Expats gegründet, aber auch erfolgreiche einheimische Betriebe wie Master Gao in Nanjing.
Craft Beer hat in China eine einheimische Geschichte. In den 1950er Jahren wurden Dörfer ermutigt, kleine Brauereien zu gründen. Eine dieser Brauereien, Yuquan Brewery, entstand bei Harbin. Das Ministerium für Leichtindustrie unterstützte die Initiative und der Autor Zhu Mei veröffentlichte 1958 eine Broschüre zur Bierherstellung. Zhu propagierte Bier als geschmackvoll und nahrhaft. Er wollte nicht nur das Brauen vermitteln, sondern auch das Genießen des Getränks fördern und hob insbesondere die geschmacklichen Vorzüge, den Nährwert und den niedrigen Alkoholgehalt hervor – ein starker Kontrast zu den heutigen, oft stärkeren Craft-Bieren.
Ob seine Initiative langfristig erfolgreich war, bleibt unklar. Doch Chinas heutige Craft-Beer-Bewegung könnte auf diesen frühen Wurzeln aufbauen.
Den Original-Artikel zu diesem Thema findest du auf der Seite The China Project.